Dr. Lutz Fähser, Begründer des Lübecker Waldkonzepts - Foto: L. Fähser
Dr. Lutz Fähser, Begründer des Lübecker Waldkonzepts - Foto: L. Fähser

Naturnahe Waldbewirtschaftung - das Lübecker Waldkonzept

Die Grundlagen zur Naturnahen Waldbewirtschaftung nach Dr. Lutz Fähser

  1. Naturnahe Waldbewirtschaftung erfordert qualifizierte Entscheidungen. Deshalb gilt der Grundsatz: mehr Forstfachleute, statt mehr Maschineneinsatz.
  2. Naturnahe Waldbewirtschaftung braucht seltene Pflegeeingriffe.
  3. Naturnahe Waldbewirtschaftung unterstützt die natürliche Verbreitung von heimischen, standortgemäßen Baumarten, die widerstandsfähiger gegen Störungen wie Sturm, Trockenheit oder Borkenkäferbefall. So wird das finanzielle Risiko des Betriebs gesenkt.
  4. Naturnahe Waldbewirtschaftung setzt auf Einzelstammnutzung und Qualität statt Quantität bei regelmäßigen Erträgen.
  5. Der durch die naturnahe Waldbewirtschaftung geförderte Mischwald erlaubt flexibler auf die Nachfragen am Holzmarkt einzugehen und erzielt dadurch bessere Preise. (Quelle: Naturwald Akademie, Bleibtreustraße 17, 10623 Berlin, naturwald-akademie.org)
Stadtwald Lübeck - das Konzept der naturnahen Waldnutzung

Seit rund einem Viertel-Jahrhundert werden Lübecks Wälder nach dem Konzept der „naturnahen Waldnutzung“ bewirtschaftet. In diesen 25 Jahren hat das auch Lübecker Konzept genannte Waldmanagement nicht nur viel Anerkennung im In- und Ausland gefunden, es hat sich auch der Wald nachhaltig verändert. Er ist naturnäher geworden und wirtschaftlich leistungsfähiger. Welche Ideen hinter dem Waldkonzept stehen, welche Maßnahmen erforderlich sind, welche Vorteile sich für Tier- und Pflanzenreich ergeben, wenn der Wald – in Teilen – sich selbst überlassen wird und was der Mensch davon hat, wurde ausführlich dokumentiert.

 

Welche Bedeutung hat das Lübecker Waldkonzept in Deutschland?

 

Viele Städte sind dem Beispiel des Lübecker Stadtwaldes bereits gefolgt, darunter Düsseldorf, Bonn, München, Göttingen, Wiesbaden u.a. Als letzte Stadt hat sich Aachen (s.u.) für das Waldkonzept von Dr. Fähser entschieden.

 

Aachen  23. 8. 2023 hat der Rat der Stadt Aachen, einem Antrag von 6 Ratsparteien folgend, waldbauliche Anpassungen zur Stärkung der Klimaresilienz und der Biodiversität beschlossen. Die Stadt Aachen, deren Forsten bereits seit 2003 die FSC Zertifizierung besitzen, orientiert sich dabei an den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen (z. B. zu eintretenden Klimaszenarien, zur Resilienz heimischer Waldökosysteme oder zu Schaderregern an heimischen Baumarten) und passt diese Vorgabe bei Bedarf an. Sie orientiert sich dabei am sog. "Lübecker Modell", entwickelt von Dr. Fähser. Zur Erreichung der Ziele wurden die nachfolgenden waldbaulichen Grundsätze festgelegt.

 

1. Mehr Naturwaldentwicklungsflächen: Der Anteil nicht bewirtschafteter Waldflächen wird auf mindestens 10 % der Waldfläche erhöht. Diese Wälder sollen sich langfristig zu Naturwäldern entwickeln. Der Nutzungsverzicht auf diesen Flächen wird rechtlich gesichert.

 

2. Mehr Totholz: Das städtische Biotop- und Totholzkonzept ist integraler Bestandteil der städtischen Biodiversitätsstrategie. Totholz gilt als „Urwaldelement“ in unseren Wirtschaftswäldern und bietet Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Die Erhöhung des Totholzanteils bleibt daher ein wichtiges Ziel unserer Waldwirtschaft. Dabei wird die im FSC-Standard verwendete Formulierung von „durchschnittlich zehn Biotopbäume je Hektar“ erweitert durch die Formulierung „durchschnittlich zehn Prozent der oberirdischen Baummasse je Hektar, bezogen auf die Strukturelemente Biotopbäume und Totholz“.

 

3. Erhöhung des Laubwaldanteils / beschleunigte Umwandlung des Nadelwaldes: Die vordringlichste und herausforderndste Aufgabe für die Stadt Aachen stellt die Umwandlung von Fichtenwäldern in klimastabile Laub- und Laubmischwälder dar.

Geeignete waldbauliche Mittel zur Erhöhung des Laubwaldanteils sind u.a.:

* der Voranbau von schattenertragenden, vorwiegend heimischen Baumarten (z. B. Rotbuche)

* die Förderung von Laubbäumen in Nadelholz-Laubholz-Mischbeständen durch Pflegeeingriffe in allen Altersstadien (z. B. Jungbestandspflege, Durchforstung)

* die Wiederaufforstung von Freiflächen mit Laubbäumen, sofern in der Folgegeneration eine Dominanz von Nadelbäumen zu erwarten ist (s. hierzu auch Punkt 7). Um diese Waldumwandlung in einem kürzeren Zeitraum abzuschließen, soll die Nutzung von Fichtenwäldern unter Einhaltung der guten fachlichen Praxis intensiviert werden.

 

4. Weitere Steigerung des Laubholzvorrates: Die Holzvorräte unserer Laubwälder sollen entgegen einer zuwachsoptimierten Vorratshaltung weiter steigen. Die Nutzung von Laubholz soll daher im zehnjährigen Mittel 40 % des Zuwachses nicht überschreiten. Diese Festsetzung soll spätestens nach 20 Jahren überprüft und auf Basis der gesammelten Erfahrungen angepasst werden.

 

5. Buchenwaldbewirtschaftung nach dem „Lübecker Modell“: Buchenwaldkomplexe mit einem Buchenanteil von über 80 Prozent werden trotz der zu erwartenden Risiken für die Rotbuche zukünftig in Anlehnung an das Lübecker Modell bewirtschaftet. Kennzeichnend für diese Art der extensiven Waldbewirtschaftung ist unter anderem der Nutzungsverzicht in der so genannten Qualifizierungsphase (bis ca. 20 cm Brusthöhendurchmesser) und der Phase der Vorratsanreicherung (ab ca. 40 cm Brusthöhendurchmesser). In Mischbeständen sollen – in Anlehnung an das Konzept des adaptiven Waldmanagements – trockenheitsertragende, heimische Mischbaumarten (z. B. Stiel- und Traubeneiche) gefördert und damit erhalten werden.

 

6. Einzelstammentnahme im Laubwald: Zur Entwicklung dauerwaldartiger Strukturen werden in Laubwäldern hiebsreife Bäume einzelstammweise in Form einer Zieldurchmesserernte genutzt (synonym: Zielstärkennutzung). Bei der Holzernte ist besonderer Wert auf den Erhalt von Biotopbäumen und stehendes Totholz zu legen.

 

7. Naturverjüngung „first“: Die Naturverjüngung hat grundsätzlich Vorrang vor der Pflanzung. Stellt sich innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist kein Wald ein, sind Freiflächen vorwiegend mit heimischen und nach heutigem Kenntnisstand klimaresilienten Baumarten aufzuforsten. Dabei ist der natürlichen Sukzession Raum zu geben. Außerdem soll, wo möglich und sinnvoll, auf die Saat und die Nutzung heimischer Wildlinge zurückgegriffen werden. Diese Verjüngungsverfahren ermöglichen eine noch bessere Anpassung der Baumarten an ihren jeweiligen Standort und tragen zum Erhalt der genetischen Vielfalt bei. Die Kulturen sind im erforderlichen Umfang (Minimumprinzip) durch Kultursicherungsmaßnahmen zu erhalten.Die Einbringung von nicht heimischen Baumarten aus dem europäischen Raum ist mit einem Anteil von bis zu fünf Prozent auf bisher nicht mit standortgerechten Baumarten bestockten Flächen möglich und unterstützt den Aufbau klimaresilienter Wälder.

 

8. Verbesserter Bodenschutz: Dem Schutz des Bodens räumt die Stadt Aachen einen hohen Stellenwert ein. Diesem Ziel wird einerseits durch eine weitere Extensivierung der Befahrung entsprochen, andererseits durch die verstärkte Ausnutzung technischer Möglichkeiten (bspw. Moorbänder auf Forwardern, Seiltechniken). Des Weiteren besteht die Absicht, den Einsatz von Rückpferden auszudehnen.

 

9. Bejagung erforderlich: Zum Erhalt und zur Weiterentwicklung eines klimastabilen Waldbestandes ist eine den Biotopkapazitäten angepasste Wilddichte unabdingbar. Diese ist durch geeignete Jagdmethoden sicherzustellen.
(Quelle: Ratsinfo Stadt Aachen)