Einblick in die Rettung von Wildtieren

Besuch bei einer privaten Wildtierhilfe

30.04.2024   Beeindruckend und anstrengend zugleich, das war das Resümee unseres Besuchs bei Karen Bülles in Heinsberg, die seit Jahren eine private Wildvogelhilfe in ihrem Einfamilienhaus betreibt.

Nahezu rund um die Uhr werden Amseln, Meisen, Buchfinken, Tauben, Krähen u.a., aber auch Eulen, Greifvögel, Geflügel und Igel hoch qualifiziert und liebevoll versorgt und gesund gepflegt.

Karen Bülles hatte uns vorgewarnt, dass wir nicht mit einer gängigen Führung durch Haus und Garten rechnen sollten, sondern mit anpacken müssten.

 

So war es dann auch. Während wir in die Fütterung von acht Tage alten Kohl- und Blaumeisen mit Heimchen als Futter eingewiesen wurden und Putenherz kleinschneiden durften, riefen bei ihr pausenlos Menschen an, zum Teil von weit her, die hilflose oder verletzte Vögel aufgefunden hatten und um Hilfe baten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im vergangenen Herbst aufgefundene junge Rauchschwalben, die den Vogelzug mit den Elternvögeln in den Süden nicht begleiten konnten. Im Mai werden sie ausgewildert.


Um jeden noch so jungen Vogel oder hoffnungslosen Fall kämpft Karen Bülles. Und prompt wurde aus Jülich ein ganzes Nest mit frisch geschlüpften Amseln gebracht (Foto rechts), welches heruntergefallen war und wo keine Fütterung mehr durch die Alttiere erfolgte. Junge Nestlinge werden in der Wildtierhilfe halbstündlich mit dem richtigen Futter versorgt.

 

Links: Karen Bülles (rechts) übergibt Anke (NABU Wegberg) die Brut zur Fütterung.

Rechts: Erst vor Kurzem geschlüpfte Amseln, die zur Wildtierhilfe gebracht wurden.

Fehler in der Futterwahl oder bei den notwendigen Aufbaupräparaten hätten schnell den Tod einer ganzen Brut zur Folge. Werden beispielsweise junge Nestlinge von Körnerfressenden Vogelarten wie Stieglitz, Erlenzeisig oder Goldammer mit tierischem Eiweiß gefüttert, ist das ihr sicherer Tod. Auch die bei Laien verbreitete Meinung, dass Jungvögel mit gekochten Eiern oder Hundefutter gefüttert werden können, ist falsch.

 

Es ist schon vorgekommen, dass eine komplette Meisenbrut infolge der Fütterung mit Ei eine tödliche Verstopfung bekommen hat, erzählt Karen Bülles. Auch Gefieder- und Wachstumsschäden sind durch eine falsche oder einseitige Ernährung möglich. Ein Auswildern der Vögel ist dann kaum noch möglich. Ebenfalls problematisch können Wassergaben mit einer Spritze werden, wenn hierbei Wasser in die Luftröhre gelangt.

 

Daher lieber Finger weg von einer sicher gut gemeinten Erstversorgung durch Laien. Karen Bülles rät dazu, ihr nach dem Auffinden eines hilflosen Vogels als Erstes ein Foto zu schicken, damit sie die Art bestimmen und Ratschläge zur Erstversorgung geben kann.

 

Links: Im Garten stehen große Volieren in denen die Vögel bis zur Genesung artgerecht untergebracht sind.
Rechts: Bewegungslos beobachtet uns die Schleiereule bevor sie in ihr Versteck fliegt.

Zum Abschluss unseres Besuchs fragten wir noch nach der Finanzierung der privaten Wildvogelhilfe. Große Mengen von Aufzucht- und Spezialfutter und Medikamente müssen regelmäßig gekauft werden. Großvolieren im Garten, Kleinvolieren im Haus, die nahezu jedes Zimmer bis zur Decke ausfüllen, Igelhäuser, Wasserbecken und zahlreiche Gerätschaften wurden über Spenden und von Karen Bülles selbst finanziert. Doch auch das ist eine anstrengende Gratwanderung. Über Upcycling von ausrangierten Gegenständen wird versucht, Kosten einzusparen. Das ist aber nur selten möglich.

 

Uns drängt sich die alarmierende Frage auf, warum private Einrichtungen wie die Wildvogelhilfe von Karen Bülles, die sich mit unglaublichem persönlichem Einsatz um den Schutz von Tieren kümmern, nicht umfänglich mit Finanzmitteln z. B. des amtlichen Naturschutzes unterstützt werden. Denkbar wären Mittel aus Ersatzgeldzahlungen von Eingriffsvorhaben.

 

Denn dieser Zusammenhang ist bekannt – Lebensräume und Futtergrundlagen von Wildtieren schrumpfen von Tag zu Tag durch Flächenversiegelung für Bauvorhaben, Zerschneidung durch Straßenneubau, durch landwirtschaftliche Intensivwirtschaft, durch hohen Konsum und nicht zuletzt durch die oftmals kritische Standortwahl von Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen. Zurück bleiben hungernde, geschwächte und anfällige Wildtiere, um die sich Idealisten und empathische Menschen wie Karen Bülles kümmern.

Links: Karen Bülles und Gabriele nachdenklich im Gespräch;  Rechts: zwei "Patienten" suchen den gegenseitigen Körperkontakt